Während meiner langjährigen klinischen Tätigkeit in der gynäkologischen Onkologie, Strahlenklinik und der Inneren Tumorklinik der Universitätsklinik Essen sammelte ich umfangreiche Erfahrungen mit der Therapie von an Krebs erkrankten PatientInnen. Aufgrund meiner ganzheitlichen Ausrichtung legte ich bereits damals großen Wert auf die psychoonkologische Betreuung meiner Patientinnen.
Viele Menschen fragen sich nach der Krebsdiagnose:
- Warum gerade ich?
- Hab ich in meinem Leben etwas falsch gemacht?
- Gibt es so etwas wie eine Krebspersönlichkeit?
Wir Menschen suchen stets nach Erklärungen. Finden wir für uns plausible Antworten, sind wir bereits ohne Rücksicht auf deren Wahrheitsgehalt, beruhigter. Rückblickend lassen sich immer scheinbar plausible Erklärungen für die Erkrankung finden. Aber diese sind geprägt durch das Wissen um die Krankheit. Das heißt, sie sind „durch die Brille der Erkrankung gesehen“ und insofern wissenschaftlich nicht gültig. Entlastend für Patienten ist, dass um den Beitrag psychischer und sozialer Faktoren am Ausbruch der Krankheit abschätzen zu können, man Hunderttausende von Menschen jahrzehntelang wöchentlich wissenschaftlich begleiten müsste. Nur so ließe sich der Beitrag psychischer Faktoren am Krankheitsausbruch ein für alle Male klären.
Gleichzeitig sind natürlich auch die genetischen, die ernährungs- und bewegungsbedingten Gründe, Fehlverhalten wie Rauchen und Drogenmissbrauch, Umweltgifte, Strahlen und Dämpfe an Arbeitsplätzen etc. zu berücksichtigen. Die Frage nach einer Krebspersönlichkeit wird sich wegen des beschriebenen immensen Aufwands wohl nie klären lassen. Die Krebspersönlickeit, die sich in Depression, Niedergeschlagenheit oder Antriebslosigkeit äußert, ist häufig eher als eine Reaktion auf die Erkrankung aufzufassen denn als Ursache.
In Deutschland ist eine fachkompetente Betreuung leider noch die Ausnahme, im Gegensatz beispielsweise zu den USA oder Kanada. Das heißt, dass Ärzte bzw. Onkologen in den meisten Fällen noch nichts über die psychische Belastung ihrer Patienten wissen und entsprechend auch nicht helfen können. Und das, obwohl zwischen 15 und 35 Prozent aller Patienten allein aufgrund der Diagnose ein Trauma erleiden. Dieser Schock muss speziell behandelt werden, sonst ergeben sich schwerste psychophysische Belastungen, beispielsweise Blockaden im zentralen Hirnbereichen. Sie können dazu führen, dass der Betroffene keine Kräfte frei hat, um die Erkrankung und die Behandlung zu bewältigen. Bleibt das aus, verschlechtern sich zwangsläufig die Prognosen.